Ein Bürgervorschlag zur Neugestaltung des ehemaligen Karstadt-Geländes in Rüsselsheim
Als Rüsselsheimer Bürger möchte ich mich in die Diskussion um die zukünftige Gestaltung des "Karstadt-Areals" einbringen.
Warum?
Wir sollten aus alten Fehlern lernen - Das ehemalige Karstadt-Gelände ist DAS Eingangstor zur Rüsselsheimer Innenstadt und damit von herausragender Bedeutung. Uns RüsselsheimerInnen wird es tagtäglich beim Betreten und Verlassen der Stadt vor Augen stehen. Wir − und die kommenden Generationen − wollen damit auf Dauer leben können! Städtebau ist ein entschieden kommunales Anliegen. In den vergangenen Jahrzehnten wurde in Rüsselsheim und auch anderswo viel zu oft den kurzlebigen städtebaulichen Trends gefolgt. Ergebnis sind Innenstädte und Quartiere, wie wir sie alle kennen und nicht mögen: gesichtslose, unliebenswürdige, am Reißbrett der schnellen Postmoderne entwickelte Einheitsarchitektur. Massenware, die überall stehen könnte. Das muß ja nicht sein. Es geht anders. Etwa, indem man vor Ort vorhandene bauliche Traditionen aufgreift und behutsam aktualisiert. Ausgehend von der Frage, wo in der Rüsselsheimer Innenstadt Architektur in der Vergangenheit gelungen ist, kann ganz fraglos das Ensemble Rathaus und Marktplatz des Architekten Karl Gruber genannt werden. Besonders nach der Neugestaltung des Marktplatzes 2016 ist dieser Rüsselsheimer "Klassiker" wieder ein Schmuckstück.
Davon habe ich mich inspirieren lassen. Kern meines Vorschlags, den ich als Anregung für die Entscheider im Vergabeprozeß verstehe, ist ein Neubau, der die Vorzüge und dezente Konzeption der Gruberschen Marktplatz-Bebauung zitiert, in die Jetztzeit transportiert und dabei in seinen Dimensionen die Umgebungsbebauung nicht dominiert, sondern sich einfügt.
Ansicht vom Stadtpark (anklicken für eine größere Darstellung in neuem Fenster):
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Zur Klarstellung: Ich habe keine finanziellen Interessen bei diesem Projekt. Als Rüsselsheimer wünsche ich mir eine ansehnliche Innenstadt. Ich bin kein Planer, Projektentwickler oder ähnliches. Statt hinterher Kritik zu üben, möchte ich lieber zu Anfang einen konstruktiven Beitrag leisten. Ich arbeite im IT Bereich, bin aber städtebaulich/architektonisch interessiert und habe in meiner Jugend ein paar Jahre Architektur studiert.
Als der Markplatz Anfang der 50er Jahre umbaut wurde, hatte der Architekt Karl Gruber, der auch das Rathaus entwarf, gestalterische Vorgaben für die Bebauung entwickelt. Das Ensemble, das heute aussieht wie aus einem Guß, ist die Arbeit mehrerer Architekten, die für verschiedene Eigentümer Häuser bauten − dabei aber den Gruberschen Vorgaben folgen mußten.
Gestaltungsprinzipien
Um an die Gestaltung von Rathaus und Marktplatz anzuschließen, sollte der Neubebauung des Areals Frankfurter Str. 9-17 folgendes zugrunde liegen:
Aus Rücksicht auf die umliegende Bebauung sollte die Bauhöhe des Neubaus nicht wesentlich höher als diese ausfallen.
Aus dem gleichen Grund sollte ein steiles Schrägdach (Sattel oder Walm) mit dunkler Dachdeckung bevorzugt werden.
Fenstereinfassungen und -bänke aus Stein (oder auch aus Beton) machen einen wertigeren Eindruck als Fenster ohne Einfassung mit Blech-Fensterbänken
Korbbogenfenster im Erdgeschoss erlauben genügend große Flächen für Schaufenster ohne die Fassade "aufzureißen".
Fensterläden sind sowohl funktional als auch attraktives gestalterisches Element.
Eine weiß verputzte Fassade ist klassisch. Man sieht sich daran nicht satt.
Der Baukörper sollte gegliedert sein, kein monolithischer Block.
Mein konkreter Vorschlag
Die Bebauung gliedert sich in ein Hauptgebäude sowie einen Ost- und Westflügel.
Zu den Schauseiten Frankfurter Str./Friedensplatz hin zitiert der Entwurf die Gestaltung Karl Grubers der Marktplatz-Bebauung, während er nach Süden und zur Hofseite hin zeitgenössisch großzügige Fensterflächen und Balkone bietet.
Das Hauptgebäude entspricht in der Breite dem dann ehemaligen Karstadtgebäude ohne dessen Tiefe zu erreichen. Stattdessen wird mit den beiden Flügeln ein Hof beziehungsweise ein öffentlicher Platz geschaffen.
Ein Durchgang erschließt den Hof von der Frankfurter Straße.
Der Ostflügel schließt die Seite zum Friedensplatz ab, der Westflügel zum Löwencenter hin.
Das Hauptgebäude weist größere Geschosshöhen auf als die beiden Flügel, was das Ensemble besser gliedert.
Im Erdgeschoss sind durchweg Läden und Gastronomie vorgesehen.
Im Hauptgebäude sowie im Ostflügel ist in den 1. und 2. Etagen Wohnen vorgesehen.
Der aktuelle Entwurf beinhaltet sehr große Wohnflächen, die sich für große Familien, für Wohn-Arbeiten, für Generationen-Wohnen oder sonstige Wohngemeinschaften eignen.
Praxen oder Kanzleien könnten in einer Mischnutzung dort ebenfalls einziehen.
Kleinteiligere Grundrisse wären natürlich - je nach Nachfrage - ebenfalls möglich.
Im Westflügel sind die beiden Etagen für Büronutzung bestimmt. Nach Süden hin schließen diese Etagen mit vollverglasten Aufenthaltsräumen/Cafeterien ab.
Dachgeschosse
Die Dachgeschosse, der beiden Flügel weisen große Loggien auf.
Hier kann man sich vielfältige Nutzung vorstellen: Wohnlofts, Künstlerateliers, Ausstellungs- oder Veranstaltungsräume etc.
Das Dachgeschoss im Hauptgebäude kann als Wohnraum wie in den unteren Etagen genutzt werden oder wie oben beschrieben.
Der Hof als öffentlicher Raum könnte zum Beispiel einen kommunalen Obst- und Gemüsegarten mit Aufenthaltsorten enthalten.
Ich möchte anregen, bei der Ausschreibung zum Wettbewerb auf jeden Fall Gestaltungsprinzipien zu erlassen. Es geht darum, ein ansehnliches Stück Architektur an zentraler Stelle zu entwickeln, das auch in späteren Jahren noch gültig ist − unabhängig von schnellebigen Trends.
Ansichten
(anklicken für eine größere Darstellung in neuem Fenster)
Von der Frankfurter Str. aus Richtung Osten:
Vom Friedensplatz:
Von der Frankfurter Str. aus Richtung Westen:
Durchgang zum Hof:
Vom Löwencenter:
Von oben aus Süden:
Von oben aus Nordosten:
Vergleich von Rathaus, dem Entwurf und Marktplatz:
Um die Größen zu veranschaulichen, stehen hier das Rathaus, mein Entwurf für das Karstadt-Areal und die Markplatzbebauung nebeneinander. Der Entwurf fügt sich zwischen Rathaus und Marktplatz und zitiert dabei Elemente von beiden.
Eine Animation aus Richtung Stadtunterführung kommend über den Friedensplatz bis zum Eingang Stadtpark, dann weiter durch die Frankfurter Straße und Löwenstraße bis zur Rückseite, schließlich ein Aufsteigen für den Blick von oben. (Achtung etwa 42 MB!):